Bundesgerichtshof: Anlagevermittler und –berater müssen Kunden unaufgefordert über Vertriebsprovisionen und das zu zahlende Agio aufklären

Am 19. Oktober 2017 hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass Anlagevermittler und Anlageberater ihre Kunden bei vermittelten Kapitalanlagen unaufgefordert über Vertriebsprovisionen aufzuklären haben, wenn diese eine Größenordnung von 15 Prozent des vom Anleger einzubringenden Kapitals überschreiten (Az.: III ZR 565/16). Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs muss auch das auf das Beteiligungskapital zu zahlende Agio in die Berechnung der Vertriebsprovisionen einbezogen werden.

Im zu entscheidenden Fall des Bundesgerichtshofs begehrte der Kläger von der Beklagten Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Anlageberatung in Bezug auf eine Schiffsfondsbeteiligung. Der Kläger beteiligte sich im Jahr 2008 mit 20.000 Euro zzgl. 5 Prozent Agio an der Beklagten. In einem Empfangsbekenntnis der Beitrittserklärung unterzeichnete der Kläger gesondert, ein Exemplar des Verkaufsprospekts vor der Unterzeichnung der Beitrittserklärung erhalten zu haben. Der Kläger führte bis zur Zeichnung mit einem für die Beklagte zuständigen Handelsvertreter Gespräche über das Kapitalmodell. Das Beteiligungskapital der Fondsgesellschaft betrug ausweislich des Emissionsprospekts 49.300.000 Euro. Die Vertriebskosten wurden mit 7.395.000 Euro beziffert und das Agio belief sich auf 2.465.000 Euro. Der Kläger machte im Verfahren geltend, dass unter Berücksichtigung des Agios von 5 Prozent aufklärungspflichtige Innenprovisionen von 20 Prozent geflossen seien. Zudem habe er das Emissionsprospekt nicht erhalten. Der Kläger hat im Verfahren klargestellt, dass er sich an dem Kapitalanlageprodukt bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht beteiligt hätte.

Die Beklagte wiederrum hat vorgetragen, dass aus der Beitrittserklärung nicht zu entnehmen sei, dass dem Kläger kein  Emissionsprospekt übergeben worden sei. Die Übergabe des Prospekts sei der Beklagten zufolge rechtzeitig erfolgt. Das Prospekt sei nach Auffassung der Beklagten bezüglich etwaiger Risiken vollständig und ihre Aufklärungspflichten seien auch nicht verletzt worden.

Der Bundesgerichtshof hat dargelegt, dass ein Anlagevermittler oder –berater nach ständiger Rechtsprechung Anleger unaufgefordert über die Vertriebsprovision aufklären müsse, wenn diese 15 Prozent des vom Anleger eingebrachten Kapitals überschreite. Als Grund hierfür hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass derart hohe Vertriebskosten einen Rückschluss auf eine geringere Werthaltigkeit und Rentabilität einer Kapitalanlage eröffnen und dies wiederum maßgeblich für die Investitionsentscheidung sei. Neben dem einzubringenden Kapital des Anlegers und der zu zahlenden Provision, sei auch das zu zahlende Agio in ein Verhältnis zu setzen. Die Rentabilität einer Anlage sei schon deswegen anzuzweifeln, wenn mehr als 15 Prozent des einzubringenden Kapitals in Vermittlungskosten fließe.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trage derjenige die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der fehlenden Übergabe des Emissionsprospekts, der eine Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten behauptet. Die andere Partei müsse wiederrum die behauptete Fehlberatung bestreiten und darlegen wie beraten bzw. aufgeklärt worden sei. Dem Anspruchsteller obliege dann der Nachweis, ob es sich um eine vom Anspruchsgegner zutreffende Darstellung handele. Diese Grundsätze seien auch bei Aufklärungs- und Beratungsfehlern in Bezug auf Kapitalanlagen anwendbar. Folglich treffe den Kläger die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des nicht rechtzeitigen Erhalts des Emissionsprospekts.
Der Bundesgerichtshof hat unter Anwendung dieser Grundsätze festgestellt, dass die Beklagte die vom Kläger behauptete fehlende Prospektübergabe hinreichend bestritten habe. Die rechtzeitige Übergabe des Prospekts habe auch der Handelsvertreter der Beklagten positiv behauptet. Durch die gesonderte Unterschrift unter dem Empfangsbekenntnis der Beitrittserklärung habe die Beklagte die rechtzeitige Übergabe des Prospekts dargelegt.

Der Bundesgerichtshof hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Möglichkeiten für Betroffene

Betroffene Anleger, die sich in der Vergangenheit an Fonds mit derart hohen Agios beteiligt haben, sollten anwaltlichen Rat einholen und rechtlich prüfen lassen, ob die dadurch entstehenden Kosten auch durch den Vermittler oder Berater angezeigt wurden. Betroffene könnten gegebenenfalls bei einer fehlerhaften Anlagevermittlung oder –beratung Schadensersatzansprüche geltend machen.

Sie haben Fragen? Wir sind für Sie da.
Sollten Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben oder rechtliche Hilfe benötigen, rufen Sie uns einfach an oder nutzen Sie unseren kostenlosen Rückrufservice.

IVA AG : +49 621 180000