Bundesgerichtshof befasst sich erneut mit der Verwirkung des Widerrufsrechts – Vorzeitige Beendigung des Darlehens durch Verbraucher

Am 10. Oktober 2017 hat sich der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs erneut mit der Verwirkung des Widerrufsrechts bei Darlehensverträgen befasst (Az.: XI ZR 449/16). Hat ein Verbraucher einen Darlehensvertrag auf eigenen Wunsch vorzeitig beendet und widerruft daraufhin seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung, könnte das Widerrufsrecht jedoch aufgrund des schutzwürdigen Vertrauens der Bank verwirkt sein.

In dem zu entscheidenden Fall des Bundesgerichtshofs haben sich die Parteien um die Wirksamkeit eines Widerrufs der auf den Abschluss von zwei Verbraucherdarlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen der Kläger gestritten.
Die Kläger haben im Jahr 2006 mit der Beklagten zur Finanzierung einer Immobilie zwei Darlehensverträge abgeschlossen. Die Beklagte hat die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt belehrt:

„Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. per Brief, Telefax oder E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.“

Im Jahr 2013 haben die Kläger das Grundstück weiterveräußert. Der beurkundete Notar hat von der Beklagten die Erteilung einer Löschungsbewilligung gefordert. Im selben Jahr haben die Kläger die Restdarlehenssumme abgelöst, sowie die von der Beklagten geforderten Aufhebungsentgelte, das Bearbeitungsentgelt und die Kosten der öffentlichen Beglaubigung der Löschungsbewilligung gezahlt. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten haben die Kläger im Juni 2014 ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen widerrufen und die geleisteten Zahlungen von der Beklagten zurückgefordert.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass den Klägern ein Recht zum Widerruf zugestanden habe, da die Beklagte das Wort „frühestens“ für das Anlaufen der Widerrufsfrist in ihrer Belehrung verwendet hat. Diese Formulierung sei jedoch undeutlich. Zudem sei auch nicht ersichtlich zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen die Widerrufsfrist anläuft. Auch könne sich die Beklagte nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen, da die Widerrufsbelehrung dem gesetzlichen Muster nicht vollständig entsprochen habe. Damit sei die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Die Aufhebungsverträge haben nach Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht den nachträglichen Widerruf und den Anspruch auf Erstattung der Aufhebungsentgelte entgegengestanden. Das Recht zum Widerruf sei darüber hinaus auch nicht verwirkt, da ein Verbraucher, der keine Kenntnis von seinem Widerrufsrecht habe, auch keinen Rückschluss darauf zulasse von dem ihm zustehenden Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten bestehe überdies nicht, da sie die Situation durch eine nicht ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung selbst herbeigeführt habe. Die Möglichkeit zur Nachbelehrung hat die Beklagte nicht genutzt. Somit sei nach Auffassung des Berufungsgerichts der Widerruf der Kläger von 2014 noch wirksam.

Der Bundesgerichtshof hat zwar dem Berufungsgericht dahingehend Recht gegeben, dass den Klägern aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ein Widerrufsrecht zustehe und dies auch nach vorzeitiger Beendigung der Darlehensverträge. Der XI. Zivilsenat hat jedoch festgestellt, dass die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Verwirkung des Widerrufsrechts der aktuellen Senatsrechtsprechung (12. Juli 2016 – XI ZR 501/15) nicht standhalten. Die bloße Nichtkenntnis der Kläger über ihr zustehendes Widerrufsrecht schließe eine Verwirkung nicht aus. Auch der Umstand, dass die Beklagte die Situation durch eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung und verpasste Nachbelehrung selbst herbeigeführt habe, begründe noch keinen wirksamen Widerruf.
Denn insbesondere bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen vertraut die Bank auf ein Unterbleiben des Widerrufs und sei somit schutzwürdig. Dies gilt selbst bei einer ursprünglich nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. Der Umstand, dass der Darlehensvertrag auf Wunsch der Kläger beendet wurde, bekräftige zudem das schutzwürdige Vertrauen der Beklagten.

Rechtliche Möglichkeiten

Dennoch haben Sie die Möglichkeit Ihren Darlehensvertrag durch einen Anwalt überprüfen zu lassen und bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung Ihren nach dem 10. Juni 2010 geschlossenen Vertrag zu widerrufen. Haben Sie Ihren zwischen dem 2. November 2002 und dem 10. Juni 2010 geschlossenen Darlehensvertrag bereits selbst widerrufen und eine zurückweisende Antwort Ihrer Bank erhalten, sollten Sie sich ebenfalls beraten lassen. Erfahrungsgemäß akzeptieren Banken den Widerruf eines Darlehensvertrags oft nicht ohne weiteres.

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