Vor rund zwei Wochen wurden Volkswagennutzer und Aktionäre von der Nachricht überrascht, dass der Konzern Abgaswerte von Diesel-Fahrzeugen auf dem US-Markt manipuliert habe. Nach neusten Informationen sind die knapp 500.000 in den USA betroffenen Fahrzeuge jedoch nur die Spitze des Eisberges gewesen. Allein in Deutschland sind knapp 3 Millionen Fahrzeuge betroffen, weltweit die kaum vorstellbare Zahl von etwa 11 Millionen Fahrzeugen.
Nicht nur der Imageschaden für den Konzern ist enorm – innerhalb kürzester Zeit verlor das Unternehmen an Wert im hohen zweistelligen Milliardenbereich und schloss die Aktie erstmals (28.09.) unter 100 EUR. Noch sechs Monate zuvor waren es knapp 255 EUR gewesen.
In der Folge der Manipulationseinräumung war der Aufsichtsrat bemüht den inzwischen zurückgetretenen Vorstandschef Winterkorn von einer Kenntnis der Manipulationsvorgänge freizusprechen. Jedoch sollen gemäß dem Bericht einer überregionalen Sonntagszeitung Verantwortliche bei Volkswagen schon vor Jahren Kenntnis vom Einsatz rechtswidriger Software bei Abgasuntersuchungen gehabt haben. Schon im Jahr 2011 habe ein Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Software, die eine Abgasprüfung erkennt und entsprechend die Motorleistung herunterreguliert, einen "Rechtsverstoß" darstellen könnte, berichtet die Zeitung unter Verweis auf einen Prüfbericht der internen Revision von Volkswagen. Letztlich sei die Warnung vor dem illegalen Tun in den Hierarchien versandet.
Anleger sollten sich mit diesem Versagen der konzerninternen Strukturen auf keinen Fall zufrieden geben, sondern vielmehr ihre Schadensersatzansprüche überprüfen lassen. Denn nach Auffassung von Rechtsanwalts Dr. Jan Finke hat sich die Volkswagen AG wegen unterlassener Kapitalmarktin-formationen gegenüber seinen Aktionären schadenersatzpflichtig gemacht.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unterliegt jeder Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Diese Pflicht zählt zu den Kernbereichen des Wertpapierhandelsgesetzes. Sie beinhaltet, dass ein Inlandsemittent von Finanzinstrumenten unverzüglich Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, veröffentlichen muss. Die in Wolfsburg ansässige und im DAX notierte Volkswagen AG ist ein solcher Inlandsemittent. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht soll verhindern, dass Anleger ihre Wertpapiere zu teuer einkaufen oder zu billig verkaufen und dadurch Kursnachteile erleiden. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des kapitalmarktrechtlichen Informationssystems, das die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts durch Transparenz herstellt und schützt.
Die Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG bezieht sich auf Insiderinformationen iSd. § 13 WpHG. Eine solche Insiderinformation ist eine konkrete Information über öffentlich nicht bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.
Bei dem Wissen um den Einsatz von Software zur Manipulation der Abgaswerte handelt es sich um eine solche konkrete Information. Die exorbitante Verbreitung in über 11 Millionen Fahrzeugen weltweit ist hinreichende Grundlage für eine Abschätzung des künftigen Verlaufs des Börsen oder Marktpreises, da sie – wie die vergangenen Tage gezeigt haben - im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen geeignet war.
Die Veröffentlichungspflicht beginnt in dem Zeitpunkt, indem die Insiderinformation objektiv vorliegt und kein Recht zur Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG besteht bzw. dieses endet.
Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 WpHG könnte Schadensersatzansprüche gem. § 37b WpHG auslösen. Betroffen sind all diejenigen Inhaber von VW-Stamm- und Vorzugsaktien, welche die Aktien seit Beginn der Manipulation erworben und bei Einräumen der Manipulation noch gehalten haben. Ein solcher Schadensersatzanspruch nach § 37b WpHG setzt ein Umsatzgeschäft des Anspruchstellers voraus. Wichtig: Eine Aktivlegitimation und somit ein Anspruch ist nur gegeben, wenn der Anleger das Insiderpapier in der von § 37b Abs. 1 WpHG umschriebenen Zeit ge- oder verkauft hat.
Nach § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG steht demjenigen Anleger ein Schadensersatzanspruch als Differenz-schaden zu, der die Papiere zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem die Veröffentlichung bereits hätte erfolgen müssen, aber noch nicht erfolgt ist. Umfasst ist hiervon nur das Unterlassen der Veröffentlichung von negativen Informationen, da der Anleger nur dann zu teuer gekauft hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Anleger eine Kausalität zwischen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilung und seiner konkreten Anlageentscheidung nachweisen.
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